Volksfeste, Jahrmärkte und Kirmes sind überhaupt nicht meins. Fahrgeschäfte interessieren mich nicht und das Gedränge auf diesen Veranstaltungen steigert mein Wohlbefinden normalerweise auch nicht. Bliebe nur noch das Trinken – aber das mache ich lieber in gemütlicherer Atmosphäre und vor allem ohne Helene Fischer. Für mich als Zugezogenen kommt beim Oktoberfest der Trachtenzwang noch hinzu. Als Preuße schmerzt der Gedanke förmlich, sich eine Lederhose anzuziehen.
Und trotzdem haben wir uns entschlossen, am letzten Wiesn-Sonntag die Kinder einzupacken für einen Familienausflug auf die „Oide Wiesn“. Die „Oide Wiesn“ finden auf einem Teil der Theresienwiese statt und ist so etwas wie das Oktoberfest light: hier soll es traditioneller zugehen und das Fahrgeschäfte im Vordergrund stehen. Karussells statt saufen.
Vielleicht lags an der „oide Wiesn“, vielleicht am sehr unvorhersehbaren Wetter oder an der Tatsache, dass es der letzte Tag des Oktoberfests war, doch unser Besuch war sehr entspannt und der Andrang bei den Fahrgeschäften war sehr überschaubar (jedes Ticket kostet auf der „oide Wiesn“ nur 1 €!). Um ehrlich zu sein, war ein Grund, weswegen wir trotz der eigentlichen Abneigung auf das Oktoberfest gegangen sind, dass ich die Steilwandfahrer im Motodrom sehen wollte. Vielleicht nicht das familienfreundlichste Programm, aber meine Kinder waren hin und weg. Während der Show steht man als Zuschauer auf der Tribüne am Kesselrand und schaut hinunter in die Tonne, wie sich die Fahrer waghalsig in die Vertikale begeben. Die Warnung, vor Beginn der Show, nicht mit den Händen über die Brüstung zu greifen, ist nicht ohne Grund. Um den Nervenkitzel für die Zuschauer (und wahrscheinlich auch für die Fahrer) zu erhöhen, fahren sie bis zum obersten Rand der Steilwand. Allein schon, dass ein Motorrad eine Armlänge entfernt dröhnend an einer senkrechten Wand an einem vorbeizieht, ist ein Spektakel, dass den Adrenalinspiegel merklich steigen lässt. Aber es wäre ja keine Jahrmarktsattraktion, wenn es die Teufelskerle in der Steilwand dabei belassen würden. Irgendwie erwartet man ja schon fast, dass freihändig, stehend oder im Damensitz in der Steilwand gefahren wird, und trotzdem stockt uns Zuschauern der Atem, wenn es dann wirklich passiert. Meine beiden Kinder war ihre begeisterte Anspannung während der Show buchstäblich im Gesicht abzulesen. Mit offenem Mund und nicht ansprechbar verfolgten die Beiden in erster Reihe direkt am Kesselrand wie die Fahrer in der Steilwand ihrer halsbrecherischen Kunststücke vollführten. Nach der Show brauchte es einige Minuten bis mein Sohn bereit war, zu gehen – vielleicht brauchte er einen Moment, um das Gesehene zu verarbeiten, vielleicht hoffte er auch einfach nur, dass es noch weiter geht.
Nach dem Motodrom forderten die Kinder Fahrten auf den Karussells der „oidn Wiesn“ ein, zogen diese dann aber eher stoisch durch. Auch verständlich, hat man gerade einen Motorradfahrer bei lebensgefährlichen Akrobatiken beobachtet, bringt eine Fahrt im Kreis auf einem kleinen Holzpferd ein eher müdes Lächeln auf die Lippen.
Um die Oktoberfest-Experience abzurunden gab es noch ein Maß Bier und Bratwürste, bevor es dann nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause ging.