Ziemlich bald, nach dem ich mit dem Photographieren angefangen habe, habe mir ein Stativ zugelegt, um auch Nachts photographieren zu können. Seitdem hat mich die Nachtphotograhpie in ihren Bann gezogen. Nachtaufnahmen haben ihre eigene Dynamik: Farben strahlen intensiv, Straßen und Gebäude sind beleuchtet, durch die langen Belichtungszeiten verschwimmen alle Bewegungen. Insgesamt wirken die Szenen vielmals surreal. Besonders in diesem Genre unterscheidet sich das vom Auge Gesehene mitunter sehr stark von dem, was die Kamera erfasst. Das macht zum einen die Herausforderung aber auch zugleich den Reiz des Genres aus.
In diesem Tutorial möchte ich auf die besonderen Anforderungen der Nachtphotographie an den Photographen eingehen und einige Tricks und Strategien erklären, die mir beim nächtlichen Photographieren helfen.
Ausrüstung
An dieser Stelle möchte ich nicht in technische Diskussionen verfallen und vieles zu diesem Thema ist eh selbsterklärend. Die mit schon fast religiösem Eifer geführten Diskussionen über Kameras und Objektive, Stative überlasse ich lieber anderen. Man braucht sie für die Nachtphotographie – das soll reichen.
Lieber möchte ich auf die kleinen Helfer eingehen, die nicht ganz so offensichtlich sind. Bei den meisten Kameras ist die längste Belichtungszeit 30 Sekunden. Da es jedoch nachts in vielen Situationen notwendig ist, länger als 30 Sekunden zu belichten, muss man auf den „Bulb“-Modus zurückgreifen. in diesem Modus wir solange belichtet, wie der Auslöser gedrückt wird. Da das Verfahren doch mehr als unpraktisch ist, empfiehlt es sich, auf eine Fernbedienung zurückzugreifen, bei der sich der Auslöser arretieren lässt. Ich selbst verwende eine programmierbare Fernbedienung, an der man direkt die gewünschte Belichtungszeit zwischen 1 Sekunde und 99 Stunden einstellen kann und somit die Belichtungszeit nicht selbst stoppen muss. Weiterhin ist es mit einer programmierbaren Fernbedienung möglich Intervall-Aufnahmen im „Bulb“-Modus zu machen. Noch ein Grund, eine Fernbedienung zu verwenden, ist, dass jede Berührung der Kamera zu Erschütterungen und somit zu einer Verringerung der Bildqualität führt – mit einer Fernbedienung ist es nicht notwendig die Kamera zu Auslösen zu berühren.

Karlsbrücke bei Nacht: Dieses Bild wurde nach Einbruch der Dunkelheit aufgenommen, jedoch sorgt die starke Lichtverschmutzung, die von Prag ausgeht, dafür, dass der Himmel noch etwas erleuchtet ist [ISO 100, 15 mm, f/8, 20 sec]
Besonders bei Szenen, die künstliche Lichtquellen wie Straßenlaternen beinhalten, sollte das Okular abgedeckt werden, da der Spiegel nicht bei allen Kameras das Prisma lichtdicht abschließt. So ist es möglich, dass während der Belichtung Licht durch den Sucher auf den Sensor fällt, was sich bei langen Belichtungszeiten durchaus bemerkbar macht. Für viele Kameras gibt es dedizierte Sucherabdeckungen. Bei Canon zB ist diese Abdeckung praktischer Weise in den Kameragurt integriert, jedoch ist nicht bei allen Herstellern die Sucherabdeckung im Lieferumfang mit inbegriffen. Abhilfe kann hier aber auch ein Stück Pappe und etwas Klebeband schaffen.
Nicht unbedingt notwendig für die Nachtphotographie aber trotzdem ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand ist eine Taschenlampe. Oft passiert es mir, dass mich beim Photographieren der Eifer packt und ich beim Aufbauen keine Acht gebe, wo ich Kleinteile wie Objektivdeckel ablege. Eine Taschenlampe verkürzt die Zeit, die man fürs Zusammenpacken braucht, erheblich und kann eine Menge Stress ersparen, wenn man mal etwas wertvolleres wie ein Objektiv verlegt hat. Neben der Suche nach verschollener Ausrüstung kann die Taschenlampe auch dazu verwenden, Licht in dunkle Vordergründe zu bringen.

Konstanz bei Nacht: Dieses Bild wurde in einer Vollmondnacht nach Einbruch der Dunkelheit aufgenommen. Durch das helle Mondlicht ist die gesamte Szene gut ausgeleuchtet und der Kontrast zwischen dunklen Partien und den beleuchteten Gebäuden nicht so extrem. Die zweiminütige Belichtungszeit macht die Bewegung der Wolken sichtbar. [ISO 100, 28 mm, f/8, 2 min]
Timing
Timing ist alles. Obwohl man landläufig von Nachtphotographie spricht (und diese kleine Anleitung auch so heißt), erzielt man in vielen Situationen bessere Ergebnisse, wenn man nicht in der Nacht, sondern in der Dämmerung photographiert. Besonders bei Szenen mit künstlicher Beleuchtung ist Dynamikumfang nach Einbruch der Dunkelheit so groß, dass man nur die Wahl zwischen ausgebrannten Highlights und unterbelichteten Schatten hat. Dies ist nun die Stelle, an der normalerweise HDR eingebracht wird. Aber ich bin kein großer HDR-Fan. Zumindest für mich ist HDR immer deutlich mehr Arbeit in der Nachbearbeitung als eine Einzelaufnahme und kompliziert so hinzubekommen, dass es natürlich aussieht. Daher ist es für mich HDR eine Notlösung und keine wirkliche Alternative zu gutem Timing.
Während der Blauen Stunde ändert sich das Licht permanent und es bleibt oftmals nicht viel Zeit zu reagieren. Deswegen ist es wichtig, gut vorbereitet zu sein. Dazu gehört, sich schon vor Einbruch der Dämmerung einen geeigneten Standpunkt zu suchen, Stativ und Kamera aufzubauen und mögliche Kompositionen auszuprobieren. Wenn dann das Licht passend ist, braucht man nur noch abzudrücken.

Die Berliner Kongresshalle (Volksmund: Schwangere Auster) während der blauen Stunde: Für diese Aufnahme habe ich mich vor Beginn der Dämmerung in Stellung gebracht, verschiedene Kompositionen ausprobiert und dann gewartet, bis die Beleuchtung des Gebäudes zur Geltung, aber der Himmel noch von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne erleuchtet wurde [ISO 100, 15 mm, f/11, 8 sec]
Egal, was man vor hat, in der Nachtphotographie ist gute Planung essenziell. Zu einer guten Planung gehört auch, dass man sich überlegt, was man photographieren möchte und welche „Lichtverhältnisse“ am Besten zu der geplanten Szene passen. Falls die Wahl auf die Dämmerung fällt, empfiehlt es sich, sich im Vorfeld zu informieren, wann die Sonne untergeht und genügend Zeit einzuplanen, um die Location zu erkunden.

Bodensee im Mondlicht: Dieses Bild wurde nach Einbruch der Dunkelheit in einer Vollmondnacht aufgenommen. Die Belichtungszeit wurde so gewählt, dass das Bild eine hellen Gesamteindruck macht und fast wie bei Tageslicht aus sieht… aber nicht ganz [ISO 200, 15 mm, f/8, 254 sec]
Kameraeinstellungen
Was die Kameraeinstellungen für die Nachtphotographie angeht, gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Da sich der Sensor bei langen Belichtungszeiten erwärmt, was zu zusätzlichem Rauschen führt, sollte nach Möglichkeit der Basis-ISO-Wert verwendet werden (je nach Kameramodell ISO 100 oder ISO 200). Weiterhin ist es wichtig, die Bildstabilisierung abzuschalten, sobald man ein Stativ verwendet. Um Erschütterungen der Kamera durch den Spiegelschlag zu verhindern, verwende ich die Spiegelvorauslösung. In diesem Modus wird beim ersten Drücken des Auslösers der Spiegel hochgeklappt und beim zweiten Drücken belichtet. Meine Bilder nehme im RAW-Format auf, da dieses Dateiformat mehr Bildinformationen beinhaltet als ein komprimiertes Format wie JPG und somit mehr Freiheit in der Nachbearbeitung der Bilder bietet. Aber auch dies ist ein Thema, das schon in aller Gänze auf allen möglichen Plattformen diskutiert wurde. Ansonsten gibt es, was die Kameraeinstellungen angeht, eigentlich nichts Grundlegendes zu beachten.

Schlafende Schwäne: Normaler Weise wird für die Landschafts- und Nachtphotographie empfohlen, weit abzublenden, um einen möglichst großen Schärfebereich zu bekommen. Aber wie so oft sind das alles eher Anhaltspunkte als Regel. Um die Belichtungszeit zu verkürzen und das Augenmerk auf die Schwäne zu lenken, habe ich dieses Bild bei Offenblende aufgenommen [ISO 100, 50 mm, f/1.2, 3 sec]
Bestimmung der Belichtungszeit
Eine Schwierigkeit bei der Nachtphotographie ist, dass man sich nicht mehr auf die von der Kamera bestimmte Belichtungszeiten verlassen kann, sobald die Belichtungszeiten in den Bereich von mehreren Sekunden gehen. Zur Bestimmung der richtigen Belichtungszeit nehme ich den Vorschlag der Kamera als Anhaltspunkt, mache einen Testschuss und schaue mir das Ergebnis an. Allerdings kann das Bild auf dem Kameradisplay sehr täuschen. Da die Augen auf die Dunkelheit eingestellt sind, wirken unterbelichtete Bilder auf dem hellen Display der Kamera korrekt belichtet. Aus dem Grund ist ein schneller Blick auf das Histogramm ratsam. Bei meiner Pentax K7 musste ich die Erfahrung machen, dass das „Gesamthistogramm“ manchmal verschweigt, wenn nur einer der Farbkanäle überbelichtet ist. Daher habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, anstatt des Gesamthistogramms die Einzelhistogramme der drei Farbkanäle zu überprüfen. Basierend auf dem Histogramm des Testschusses passe ich dann die Belichtungszeit an.
Damit ich bei sehr dunklen Nachtaufnahmen nicht zu viel Zeit auf die Bestimmung der korrekten Belichtungszeit verschwenden muss, mache ich Testaufnahmen bei höheren ISO-Werten und weit geöffneter Blende. Da die Bildqualität bei den Testaufnahmen egal ist, gehe ich auf schon mal auf den maximalen ISO-Wert. Anhand des Lichtwerts der korrekten Belichtungszeit bei geöffneter Blende und hohem ISO rechne ich dann die entsprechende Belichtungszeit bei ISO 100 und gewünschter Blende aus.

Steine & Bokeh: Bei dieser nächtlichen Aufnahme eines der vielen Steinstapel am Konstanzer Bodenseeufer habe ich die Belichtungszeit so bestimmt, dass der Hintergrund korrekt belichtet ist. Da der Vordergrund mit diesen Einstellungen stark unterbelichtet war, habe ich den Steinstapel mit einer Taschenlampe während der Aufnahme ausgeleuchtet [ISO 100, 135 mm, f/2.8, 20 sec]
Nachbearbeitung
Bei Tageslicht machen moderne DSLRs bei dem automatischen Weißabgleich einen sehr guten Jobs – Nachts sieht die Sache jedoch anders aus. In vielen Fällen macht sich beim ersten Sichten der Aufnahmen am Rechner nach einem nächtlichen Photo-Streifzug Ernüchterung breit: die Farben sehen völlig anders aus, als man sie in Erinnerung hat. In den meisten Fällen hilft es, etwas mit den Farbreglern im RAW-Konverter herumzuspielen, bis man einen Weißabgleich findet, der einem zusagt. Ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl ist notwendig, wenn sich Lichtquellen mit verschiedenen Lichttemperaturen wie z.B. Mondschein und Straßenbeleuchtung im Bild befinden. In solchen Fällen bleibt eigentlich nichts anderes übrig, als entweder den Weißabgleich auf eine Lichtquelle anzupassen oder einen Kompromiss zu finden, der beiden Lichtquellen gerecht wird. Was am Besten für das Bild funktioniert, hängt einzig und allein vom Motiv ab. Hilfreich kann es sein, JPGs der verschiedenen Weißabgleiche zu speichern und direkt miteinander zu vergleichen.
Die Nachbearbeitung bieten ein so weites Feld an Möglichkeiten, dass es den Rahmen dieses kleinen Tutorials sprengen würde (und auch meine Expertise übersteigen würde), dieses Thema weiter auszubreiten.

Commerzbank und Verkehr: Ein weiterer Faktor, der in der Nachtphotographie eine Rolle spielt, ist das Wetter. Anfänglich mag der Gedanke etwas seltsam sein, aber gerade in Städten ist Regen optimales Wetter für Nachtaufnahmen. Die Reflektionen auf regennassen Beton- und Asphaltflächen bereichern die Aufnahmen um ein spannendes Element und erzeugen ein spannendes Flair [ISO 100, 15 mm, f/11, 10 sec]
Schlussworte
Dieses Tutorial ist keine Anleitung zum perfekten Bild, sondern vielmehr eine Auflistung von ein paar Kniffen, die ich mir bei meinen Nachtaufnahmen zu Nutze mache. Wie in allen Bereichen der Photographie ist auch in der Nachtphotographie neben den handwerklichen Können immer Kreativität gefragt. Daher kann jede Anleitung, die das perfekte Bild als Ziel hat, immer nur die Reproduktion von schon Dagewesenem bedeuten. Ich hoffe diese Anleitung macht Lust auf Nachtphotographie und weckt Experimentierfreude.
Schlagwörter: Anleitung, Nachtphotographie, Tutorial
Hallo David,
das sind so unglaublich tolle Bilder.
Besonders schön finde ich als Anfänger, das du die Einstellungen mit angegeben hast.
Dann bekommen diese wundervollen Bilder einen Hintergrund und wirken noch mehr.
Liebe Grüße
Silvia
Hallo Silvia,
vielen Dank für das Kompliment! Freut mich, dass dir meine Bilder gefallen.
Viele Grüße,
David